Eine Sympathiebekundung für die Wanderkarte: Wanderlust geht auch ins Ohr. Erst ein sanftes Rascheln beim Aufschlagen. Dann das entschlossenere Knacken beim Entfalten. Schließlich dieses leichte Knistern, wenn ich sie in Form schüttle. So klingt Tourenplanung! Ich bekenne – ich bin ein Fan der Wanderkarte. Des papiergewordenen Einstiegs in die Wanderwelt in 2D. Wobei: 2D, das stimmt zwar grundsätzlich. Kein Belchen ragt buchstäblich aus der Karte heraus. Aber optisch eben doch ein bisschen. Der Grund: die Schummerung. So nennen die Kartographen den Kunstgriff, mit dem sie Berg und Tal aufs flache Papier bringen. Als würde die Sonne über, sagen wir, Kaiserslautern stehen: Die Berge im Schwarzwald werfen entsprechende Schatten auf der Karte. Und wirken somit fast wie in 3D.
Allein das zieht – jedenfalls mich – schon beim Kartenstudium hinein in die Landschaft. Die Entdeckungsreise beginnt am Tisch daheim. Aha, nördlich vom Schauinsland gibt es Wegweiser, die „Dennoch“ heißen und „Trotzdem“: wäre eine Wanderung wert. Und dieser kleine Weiher in der Nähe vom Mathislehof: auf der Karte entdeckt. Da sollte ich mal hin! Sage keiner, Papier könne nicht inspirierend sein.
WANDERKARTEN GEBEN ÜBERBLICK
Mit den Wanderkarten des Schwarzwaldvereins verschaffe ich mir den Überblick – und gehe ins Detail. Brunnen, Hütten, Felsenpassagen, einzelne gewaltige Bäume, nicht zu vergessen: auch Wirtshäuser. Das alles verzeichnet auf Karten mit dem Maßstab 1:25.000. Der ist mittlerweile angesagt.
Ein Zentimeter auf der Karte entspricht demzufolge 250 Metern in der Natur. Die sehen natürlich nicht immer gleich aus. Wenn das abgedruckte 1 cm lange Stück Wanderweg gleich mehrere der braunen Höhenlinien schneidet, wird es dort steil. Aber geht es bergauf oder bergab? Die Meterzahl an den Höhenlinien gibt den Hinweis: Steht sie in meiner Richtung auf dem Kopf, wandere ich talwärts. Andersherum entsprechend nach oben.
Kompliziert? Keineswegs. Wichtig zu wissen wäre allerdings, in welcher Richtung der Norden zu suchen ist. Dann die Karte entsprechend ausrichten, der Fachbegriff ist „einnorden“. Und schon ist klar: Da drüben „links“ (also im Westen), das ist Kirchzarten, wenn ich auf dem Frauensteigfelsen stehe.
KARTE ZEIGT MEHR ALS DIE ROUTE
Meine Karte zeigt mir eben mehr als nur die direkte Nachbarschaft der Route, für die ich mich vorab entschieden habe. Eventuell bringt mich mein papierener Begleiter sogar auf die Idee, vom geplanten Weg abzuweichen. Vielleicht, um die Kapelle anzuschauen, die da per Symbol nahebei verheißen wird. Zurückfinden? Kein Problem. Ich habe ja meine Karte! Zudem helfen natürlich die vielen Wegweiser, die entlang des Wegenetzes vom Schwarzwaldverein aufgestellt wurden. Dieses, also das komplette Wegesystem des Schwarzwalds, findet sich auf den aktuellen Vereins-Karten wieder. Dafür sorgen Schwarzwaldverein und das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung. Von letzterem stammt die Kartengrundlage. Dass die Wege auf die Karte kommen, darum kümmert sich als Koordinator Patrick Schenk vom Referat Wege beim Hauptverein. Die ersten Ausgaben im neuen Design, Jahrgang 2018, Schönau und Titisee-Neustadt, steuern bereits auf eine Neuauflage zu, so gut gehen sie. „Wir wollen immer aktuell sein“, sagt Schenk, der sich seit fast 20 Jahren im Hauptverein mit dem Thema befasst. Und wie ich ein Freund gedruckter Karten ist. Klar!
Schon richtig: Auch online gibt es gute Hilfsmittel, um Touren zu finden und sich unterwegs zu orientieren. Die benutze ich auch, speziell www.wanderservice-schwarzwald.de. Nur: Man schaut dann eben meist doch nur auf den kleinen Ausschnitt entlang der Route. Und überhaupt, was ist, wenn der Akku in die Knie geht? Das kann folgenreicher sein, als wenn meine Wanderkarte mit ihrem dicken Papier mal in den Regen kommt. Die trocknet wieder.
Und dann ist sie bereit für die Planung der nächsten Tour: Rascheln, Knicken, Knistern!

Klaus Gülker
…ist ausgebildeter Wanderführer und Referent in der Wanderakademie. Der langjährige SWR-Redakteur („Raus mit Klaus“) ist aktiv im Schwarzwaldverein Hinterzarten-Breitnau.
Aus: Der Schwarzwald 2/2021, S. 7
Ein Kommentar zu “Wandern à la carte”
schön formuliert!
Freundliche Grüsse aus Bern