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Fahnen, Böller, Wurst und ein Säbel

„Freiheit“, schallt es durch den Konstanzer Hafen. Fahnen werden geschwenkt, scharz, rot und gold. Und zwei Männer ziehen kleine Kanonen hinter sich her. „Wunderbar“, lacht ein Berliner Tourist, der Fotos macht: „Wer so in Berlin rumlaufen würde, der würde gleich verhaftet.“ Da täuscht er sich: Denn es handelt sich um eine hochlöbliche Demonstration von Freunden der Demokratie. Es sind Männer (und auch einige Frauen), die als kostümierte Freizeit-Freischärler aus dem Klettgau im Häs an die Demokraten von 1848 erinnern. Und die am Jahrestag des Heckerzugs nach Konstanz gekommen sind, um Flagge zu zeigen.

Schwarzwaldverein mittendrin

„Gut, dass wir die Freiheit heute haben, für die sie damals gekämpft haben“, hört man. Da nicken auch die rund 50 Wanderfreundinnen und Wanderfreunde des Schwarzwaldvereins Konstanz, die sich zur Erinnerungswanderung auf den Spuren des „Heckerzugs“ versammelt haben. Und alle singen: „Wenn die Leute fragen, lebt der Hecker noch, könnt ihr ihnen sagen: Hecker lebe hoch! Er hängt an keinem Baume, er hängt an keinem Strick, er hängt nur an dem Traume der freien Republik!“

Der erste Schritt

„Jede Wanderung beginnt mit dem ersten Schritt“, zitiert Meinrad Joos, der Präsident des Schwarzwaldvereins, einen bekannten Spruch: „Die Menschen damals haben den ersten Schritt zu einer demokratischen Veränderung gemacht, auch wenn sie in ihrer Zeit scheiterten“. Joos wandert mit an diesem Donnerstag. Der erste Schritt der Wanderer führt dann, nachdem die Kanoniere ihre Böller gezündet haben, ins Rosgartenmuseum. Da gibt’s für alle Hecker-Würste eines Konstanzer Metzgers, Heckerlieder werden gesungen, es gibt auch kühle Getränke: „Aber keinen Most wie damals“, sagt Museumsleiter Tobias Engelsing, „der soll bei den Freischärlern die Verdauung ziemlich durcheinandergebracht haben.“ Woran die badische Revolution aber wohl nicht gescheitert ist.

Heckerwurst – lecker!

1848 war’s eine lange Etappe

Jetzt aber wandern! Zuerst zum „Hecker-Balkon“, wo der Anführer der Demokraten, Friedrich Hecker, vor dem Aufbruch seiner Leute eine Rede hielt. Ein Relief erinnert daran. Rund 50 Männer sind ihm an jenem 13. April 1848 ins Ungewisse gefolgt – ungefähr die Größe der munteren Wandergruppe, die dann bald den Rhein überquert und Richtung Allensbach wandert. Heckers erste Tagesetappe weiland war fast dreimal so lang: Von Konstanz über Radolfzell bis Stockach, etwa 45 Kilometer. Respekt!

Die Sache mit dem Säbel

Wer auf den Spuren der Revolutionäre unterwegs sein will, muss erst mal lang durch Gewerbegebiete marschieren, die es natürlich damals noch nicht gab. Wohl gab es aber die Kirche St. Martin in Wollmatingen, Gelegenheit für eine Rast im Kirchenschiff mit Blick auf die Paulusfigur mit einem Holzschwert. Den Original-Metallsäbel hatte sich seinerzeit Wollmatingens demokratiebewegter Bürgermeister kurzerhand vom Heiligen ausgeliehen, weil die Ehefrau den privaten Säbel des Schultes vorsichtshalber versteckt hatte: Sie wollte nicht, dass der Gatte ins Feld zog. Tat der letztlich auch nicht, aber Paulus hat noch heute den Ersatzsäbel aus Holz in Händen.

Waffe 2.0: Der Holzsäbel von Wollmatingen

Und die Frauen?

Solche Geschichten sind es, die die Ereignisse von damals lebendig werden lassen. Fragen kommen auf: Was war denn mit den Frauen, 1848? Ja, Hecker hat sie gelobt – nicht weil sie mitzogen, sondern weil viele ihren Männern so lange zugesetzt haben sollen, bis die sich der Sache der Demokratie anschlossen. Wobei die Geschichte der Frau Sättele eine andere Sprache spricht.

Die Sache mit den Bärten

„Man sieht nur, was man weiß“, hat ein kluger Mann mal gesagt. Also gibt es unterwegs immer wieder was zu wissen. Auf der Wanderung des Schwarzwaldvereins kann ich die eine oder andere Information einfließen lassen. Zum Beispiel die, dass es im Frankfurter Parlament von 1848 auch um Bärte ging. Eine Flugschrift machte es deutlich: Ein kleiner getrimmter Schnurrbart machte Aristokraten kenntlich, echte Radikale erkannte man am Vollbart von Ohr zu Ohr. Die Probe aufs Exempel bei der Wandergruppe zeigt: Offenkundig gibt es beim Schwarzwaldverein dann doch nicht so viele Radikale…

„Nie gehört“

Die erste Etappe unserer Erinnerungswanderungen endet am Nachmittag in Allensbach. Danke an die beiden Wanderleiter Bärbel und Detlef Zilz für die schöne Tour! Im Café am See kommen wir mit einem jungen Paar am Nebentisch ins Gespräch. 1848? Nie davon gehört! Tja. Wären sie mal mit uns gewandert!

Klaus Gülker

Ein Kommentar zu “Fahnen, Böller, Wurst und ein Säbel

  1. Tolle Idee, die mit einer ebenso tollen Auftaktveranstaltung in Konstanz in die Umsetzung ging.
    Unser Dank gilt dem Initiator Klaus Gülker und dem Ortsverein Konstanz mit seiner wackeren Wandergruppe und ihrem Vorsitzenden Detlef Zilz an der Spitze 👍. Hervorzuheben ist, dass die Wanderfreundinnen dabei – zwar knapp – die Mehrheit gestellt haben 👏.
    Hervorzuheben ist die großartige Unterstützung durch die Stadt Konstanz mit dem besonderen Engagement von Tobias Engelsing 👍
    Die Veranstaltung wurde von der Heckergruppe aus dem Klettgau sehr wirkungsvoll in Szene gesetzt – auch hierfür vielen Dank.

    Ein toller Auftakt für ein wichtiges Geschichtsereignis – So kann es weitergehen.

    Meinrad Joos

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