header_schwarzwald_9876

Radfahren boomt – auch im Schwarzwald

Ausgabe 3/2020
Ausgabe 3/2020

Ein Plädoyer für ein gleichberechtigtes Miteinander von Wanderern und Radfahrern

Nach dem Wandern ist Radfahren, in all seinen Formen, die zweitbeliebteste Natursportart in Deutschland, so auch im Schwarzwald. Und somit ist Radfahren auch ein bedeutender touristischer Faktor geworden. Aus radtouristischer Sicht könnten die landschaftlichen und klimatischen Bedingungen kaum besser sein. Vom klimatisch begünstigten Oberrheingraben über die attraktive Vorbergzone bis hin zu den Gipfeln jenseits der 1000-Meter-Marke ist alles vorhanden, was eine Radregion attraktiv macht. Dazu kommen noch die schmucken Orte, das gute Essen, ein breites Beherbergungsangebot und natürlich die Infrastruktur in Form von Radwegen und vor allem beschilderten und digital aufbereiteten Touren.  Touristiker unterscheiden die Radfahrer nicht nur nach dem Typ Rad, mit dem gefahrenen wird, wie Tourenrad, Mountainbike und Rennrad, sondern auch nach Tagestouristen oder Übernachtungsgästen. Während Tagesgäste meist eine vorgeschlagene Tour befahren und vielleicht irgendwo einkehren, benötigen die Übernachtungsgäste eine Beherbergung, idealerweise eine, die Radfahrer auch für eine Nacht willkommen heißt, Räder sicher unterstellt und auch sonst weiß, was Radfahrer brauchen, beispielsweise Bett+Bike-Betriebe.

RADTOURISMUS ORGANISIEREN

Was wollen Radfahrer und was kann der Schwarzwald ihnen bieten? Unter dem Dach der Schwarzwald Tourismus GmbH kümmert sich der Arbeitskreis Rad um diese Fragen. Die Bedürfnisse von Radtouristen zu kennen und entsprechende Angebote zu entwickeln, ist die Aufgabe der Touristiker in diesem Arbeitskreis, der gut 60 Gemeinden, die Naturparke und Unternehmen der Radbranche umfasst. Auch der Schwarzwaldverein gehört diesem Gremium an, gibt es doch vor allem im Bereich des Mountainbikens Überschneidungen und zum Teil auch unterschiedliche Interessen

 TRENDSPORT RADFAHREN

In den vergangenen Jahren hat die Radbranche einen enormen Boom und einen Umbruch erlebt. Durch die Elektrifizierung des Fahrrades – allein 2019 wurden über eine Million E-Bikes verkauft – sind nicht nur mehr Menschen in ihrer Freizeit per Rad unterwegs, sie legen vor allem längere Strecken zurück. Aus gesundheitlichen Gesichtspunkten und aus Gründen der Umweltschonung ist das sehr zu begrüßen. Insgesamt steigt dadurch aber auch das Verkehrsaufkommen in der Fläche, dies ist vor allem im Wald bemerkbar. Die Zahl der Begegnungen zwischen Radfahrern und Wanderern/Spaziergängern, aber auch der Radfahrer untereinander steigt dadurch an. Zudem sind die Begegnungsgeschwindigkeiten höher. Für viele Waldbesucher ist das eine normale, dem gesellschaftlichen Trend zur umweltschonenden Freizeitgestaltung folgende Entwicklung, andere fühlen sich gestört.

WER SIND DIE RADFAHRER?

Touristisch betrachtet, teilen sich die gut 28 Millionen (Mio.) Deutschen, die das Radfahren als eine ihrer Freizeitaktivitäten betrachten (beim Wandern sind es gut 40 Mio.) in drei Gruppen auf: Die Tourenradfahrer (15 Mio.), die Mountainbiker (3 Mio.) und die Rennradler (10 Mio.). Jede dieser Gruppen hat ganz eigene Ansprüche an eine für sie attraktive (Ferien-) Region.

TOURENRADFAHRER

Diese mit Abstand größte und touristisch relevanteste Gruppe fährt mit ihren Rädern, darunter viele E-Bikes, gerne auf gut beschilderten, meist geteerten Radwegen, besichtigt Orte und Attraktionen und kehrt gerne ein. Die Fernradwege Südschwarzwald-Radweg, Panorama-Radweg, Naturpark- Radweg, die Strecken entlang von Kinzig und Murg, aber auch der Schwarzwald-Radweg des Schwarzwaldvereins sind gerne genutzte Angebote. Ganz neu wurde für diese Zielgruppe der Badische Weinradweg geschaffen, bei dem das Genießen von Landschaft und Kulinarik im Vordergrund stehen. Dazu gesellen sich zahlreiche tagestouristische Strecken, die vor allem von einheimischen Radlern genutzt werden. Der durch das Land Baden-Württemberg engagiert geförderte Ausbau des Radwegnetzes schafft fortlaufend neue Tourenmöglichkeiten abseits der Straße.

RENNRADLER

 Dass Jan Ulrich zu seinen besten Zeiten seinen Wohnsitz am Fuße des Schwarzwald hatte, sagt eigentlich alles über die vielfältigen Touren-Möglichkeiten für Rennradler aus. Die Anstiege aus der Rheinebene auf die höchsten Gipfel gehören mit zu den längsten und anspruchsvollsten in Deutschland. Auch kann man sich mit etwas Recherche auf zahllosen verkehrsarmen Nebenstrecken die Landschaft erschließen, um nicht zuletzt in der Ebene selbst im Winter gute Trainingsmöglichkeiten vorzufinden.

MOUNTAINBIKER

Das Mountainbiken hat sich seit seinen Anfängen vor gut 30 Jahren am stärksten gewandelt. Vom einfachen Drahtesel mit Stollenreifen und ein paar leichten Gängen hin zum vollgefederten Hightech-Mountainbike, mit dem Geübte selbst für Fußgänger schwierige Anstiege bewältigen können. Die Gruppe der Mountainbiker kann man grob in zwei Kategorien unterteilen. Die größte Gruppe fährt Touren, um die Landschaft zu erleben und Sport zu treiben. Abwechslungsreiche Wege, mal im Wald, mal mit freien Blicken, konditionell und fahrtechnisch nicht zu anspruchsvoll, werden bevorzugt. Auch eine Einkehrmöglichkeit wird gerne genutzt. Die meisten E-Mountainbiker gehören dieser Gruppe an. Die auffälligste, aber relativ kleine Teilgruppe der Mountainbiker sind die abfahrtsorientierten Enduro- oder Downhill-Biker. Sie fahren Räder mit viel Federweg, tragen Protektoren und teilweise Vollvisierhelme, um das Verletzungsrisiko zu senken. Sie befahren bevorzugt extra angelegte, herausfordernde Strecken bergab. Steilkurven und Sprünge sind wichtige Elemente dieser Strecken. Viele jugendliche Mountainbiker sind von dieser Art des Radfahrens fasziniert. Gute Beispiele für Trails für diese Zielgruppe findet man im Freiburger Stadtwald oder in Sasbachwalden. Der Schwarzwald ist Heimat großer Mountainbike-Rennen, allen voran die  Marathons in Kirchzarten und Furtwangen.

MANCHMAL GIBT’S ÄRGER

Die Wege in der Natur werden von vielen gerne und oft genutzt. Wanderer und Mountainbiker sind die größte Gruppe, aber auch Nordic Walker, Jogger, Hundehalter und Reiter sind in der Natur unterwegs. Der Wald ist aber auch Wirtschaftsraum: Jagd und Forstwirtschaft schränken aus Sicherheitsgründen die Aktivitäten anderer Waldbesucher zeitweilig ein. Im Hinblick auf die wachsende Zahl an Waldbesuchern können Störungen einzelner kaum ausbleiben. Vor allem die unterschiedlichen Geschwindigkeiten von Wanderern und Mountainbikern werden als störend oder gefährlich empfunden. Auch die Begegnung mit Hunden, die sichtbaren Wegeschäden oder  Sperrungen durch Forstarbeiten können zu Ärger führen. Den Freizeitbesuchern sollte bewusst sein, dass das generelle, freie Betretungsrecht von Wegen, das auch im Privatwald gilt, ein hohes Gut ist. Im Süden Europas sind die meisten Privatwege für eine Freizeitnutzung gesperrt. Zudem können die Tiere des Waldes durch jedwede Aktivität gestört werden. Vor allem abends oder nachts sollte im Wald Ruhe herrschen. Idealerweise gäbe es Ruhezonen für das Wild, was bei der Kleinräumigkeit unserer Wälder allerdings schwierig umzusetzen ist.

GESETZLICHE REGELUNGEN

Die in Baden-Württemberg geltende „2-Meter-Regel“, die Wanderern die Nutzung aller Wege erlaubt, Mountainbikern das Befahren schmaler Wege in der Regel jedoch untersagt, hat sich in der Praxis als wenig beachtet erwiesen. Auch finden die für Fußgänger potentiell gefährlichen, aber erlaubten Begegnungen mit Radfahrern meist auf breiten Wegen mit Gefälle statt, da dort meist höhere Geschwindigkeiten gefahren werden als auf Pfaden. Aus touristischer Sicht wäre hier eine den unterschiedlichen Begegnungssituationen angepasste Regelung hilfreicher.

Andere Bundesländer haben aus diesen Gründen solche Regelungen gestrichen und erwarten von den Waldbesuchern ein gleichberechtigtes Miteinander.

INITIATIVE „GEMEINSAM NATUR ERLEBEN“

Um die Waldbesucher daran zu erinnern, dass gegenseitige Achtung und Freundlichkeit die einfachsten Mittel für ein gutes Miteinander sind, hat die Schwarzwald Tourismus GmbH mit den Naturparken, Radverbänden und dem Schwarzwaldverein die Kampagne „Gemeinsam Natur erleben“ initiiert. Mit Schildern, Aufklebern und Flyern wird die Botschaft transportiert.

AUSBLICK

Das Radfahren wird weiterhin boomen, im Alltag und touristisch. Vor allem werden immer mehr E-Bikes die Straßen und Wege befahren. Damit alle möglichst sicher und zufrieden unterwegs sein können, braucht es die Achtsamkeit und Rücksichtnahme gegenüber anderen. 

Autor: Sascha Hotz Jahrgang 1965, ist Themenmanager Rad/MTB bei der Schwarzwald Tourismus GmbH. Der Mountainbiker ist Mitglied des Schwarzwaldvereins Todtnau.

Ein Kommentar zu “Radfahren boomt – auch im Schwarzwald

  1. „Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muß sich vorwärts bewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. “
    Albert Einstein, war vielleicht “fußlahm” als er diesen Satz schrieb. 🙂
    Wir lieben unser Schwarzwald zu Fuß, zu Ski und auf dem Rad.
    Und unsere Erfahrung, der Schlüssel zum Miteinander ist der Respekt.
    Die Grüne Zukunft , die Farbe des Schwarzwaldvereins muss unser aller Interesse sein – miteinander.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert