Entdeckungen hinterm Haus des Schwarzwaldvereins in Freiburg

Wenn man an den richtigen Stellen sucht und Glück hat, kann man nach kalten Winternächten in der Natur oder im Garten Kammeis entdecken. Bedeckt von einer dünnen Erdschicht finden sich auf dem Oberboden faserige Eisplatten, die in der seitlichen Betrachtung wie ein Kamm aussehen.

Für Kammeis braucht es schattige Stellen, an die im Winter auch tagsüber keine Sonne dringt. Zudem muss der Boden gut durchfeuchtet sein. Wenn nun in einer kalten Nacht die Oberflächentemperatur am Boden unter 0o C sinkt, gefriert das Wasser in den Poren der obersten Boden-Millimeter. Da sich das zu Eis gefrierende Wasser ausdehnt, wird das winzige Eiszäpfchen nach oben aus der Pore geschoben. Von unten drängt aus dem Boden weiteres, gefrierendes Wasser nach und schiebt das Eisgebilde nach oben. So entstehenden längliche, eng gebündelte Eisfasern, die in einer Nacht mehrere Zentimeter hoch werden können. Schmilzt das Kammeis über Tag nicht ab, kommt in der nächsten Nacht ein weiteres Stockwerk hinzu.

Besonders in den Gebirgen findet man Kammeis, wo der Frostwechsel Alltag ist und zu allen Jahreszeiten vorkommen kann, z. B. in den Alpen oder im Hochschwarzwald. In der Ebene kann man das Naturphänomen nach kalten, bei Hochdrucklagen entstehenden Ausstrahlungsnächten beobachten. Das obige Foto mit dem „zweistöckigen“ Kammeis stammt vom vergangenen Freitag, 10.2.23 von der schattigen Grünfläche hinter dem Haus des Schwarzwaldvereins am Freiburger Schlossbergring (Höhe der Eissäulen ca. 5 cm, der Kammeis-Block ist zum besseren Fotografieren herausgebrochen und senkrecht aufgestellt).

Das Kammeis bewirkt eine Lockerung des Oberbodens und fördert die natürliche Erosion. Es drückt die Bodenpartikel, Steinchen und Erdkrümel um ein paar Zentimeter hoch, diese fallen nach dem Abschmelzen des Eises wieder zurück, in hängiger Lage auch ein wenig bergab. Bei vielen Frostwechseln in unbewachsenem Gelände oberhalb der Waldgrenze sortierten sich die Bodenteile, es bilden sich Steinkreise, Schutthügel, salatschüsselgroße Schlammpfützen oder auf Kanten stehende Steinplatten („Frostmusterböden“).

Moose kommen mit Kammeis gut zurecht; sie werden hochgehoben und sinken unbeschadet zurück, weil sie wurzellos dem Boden aufliegen. Blütenpflanzen hingegen haben Probleme: Kammeis zerreißt bei jungen Pflanzen Wurzeln und Stängel, sodass sie es schwer haben zu überleben. Aufforstungen größerer Kahlflächen im Gebirge können misslingen, weil das Kammeis Jungpflanzen beeinträchtigt. Auf Waldwegen kann es die Oberfläche lockern und die unerwünschte Abtragung der Fahrbahn fördern.

Text und Foto: Peter Lutz

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